Die Reiche

Wie lange die Besiedlung des Reiches zurückliegt, ist heute nicht mehr zu sagen. Die Gelehrten sprechen von einem Zeitraum von gut 600 Jahren. Die Siedler kamen in etwa alle zur selben Zeit und aus verschiedenen Teilen des Erdenrunds und brachten von dort ihre Sprachen und Traditionen mit, was sich noch heute in den Reichs- und Ortsnamen niederschlägt.

Die einzelnen Königreiche breiteten sich schnell über das ganze Festland aus und schnell kam es an den Grenzen zu Reibereien. Diese wurden immer hefitger, bis schließlich ganze Kriege ausgerufen wurden. Lange Zeit gab es also Kämpfe zwischen den einzelnen Königreichen, bis es den Kürnbergern, einem einstigen einflussreichen ersbürgischen Adelshaus, schließlich gelang, die anderen zu dominieren und die verschiedenen Reiche in Form eines Kaiserreichs unter sich zu einen. Die Könige mussten ihre Königswürde ablegen und bekamen vom neu ausgerufenen Kaiser großzügige Ländereien und Herrschaftsgebiete zugewiesen. Dies machte das Ersbürgische auch offiziell zur kaiserlichen Amtsprache, die jeder Bürger des Kaiserreichs - zumindest in der Theorie - beherrschen muss. In der Praxis hat sich daraus in vielen Reichen ein furchtbarer Mischmasch aus Akzenten ergeben, die lokal unterschiedlich stark ausgesprägt sind.

Diese Art der Einigung brachte jedoch keineswegs die erhoffte Eintracht unter den Reichen, im Gegenteil: Schnell fühlt sich der eine hintergangen, der andere unterschätzt oder gar betrogen. Daher brodeln  mehr oder weniger offensichtliche Querelen und Streitigkeiten unter der Oberfläche und auch um die Erbfolge und Rechtmäßigkeit der Kaiserwürde gibt es Verschwörungen, welche sich immer wieder ausbruchartig in Form von Auseinandersetzungen unterschiedlicher Größe entladen.

Das Auftreten der freien Stämme des Sultanats Anaman war die erste Bedrohung des Kaiserreichs seit dessen Gründung, die von außen kam und wohl nur aufgrund der akuten Uneinigkeit so erfolgreich war. Denn nicht einmal die Angriffe eines fremden Aggressors konnten das Reich einen.

Auch wenn sich das Reich nicht zuletzt wegen dem Langen Krieg zunehmend abgeschottet hat, gibt es doch Handel und Expeditionen in fremde Länder über dem Meer. Exotische Gewürze, sowie Tabak, Tee und Kaffee werden aus Ländern herbeigeschafft, die wohl noch niemand außer den Handelsreisenden gesehen hat. Diese Handelsposten sind gemeinhin als Die Enkalven oder Die Kolonien bekannt. Was dort vor sich geht, weiß aber nicht einmal so recht die herrschende Schicht und es ist ihnen auch egal, solange die exotischen Handelswaren und Rohstoffe ihren Weg ins Kaiserreich finden. 

Dabei sind diese Güter keinswegs für jeden erschwinglich: Die Kluft zwischen reichem Adel und armer Landbevölkerung ist enorm und geht auch immer weiter außeinander. Die Städte sind ein Hort der Dekadenz, das Land hingegen ist geprägt von Bauernhöfen und kleinen Dörfern. Die Stadtbevölkerung stellt hier eine Zwischenstufe dar, die wesentlich besser und komfortabler lebt, aber auch noch weit vom höfischen Überfluss entfernt ist. Aber wehe ihnen, sollte ihre Stadt einmal genommen werden. Die Bevölkerung verarmt seit dem Ausbruch des Krieges mehr und mehr, und das menschliche Elend breitet sich wie ein Lauffeuer aus. Moral wird zu einem hohen Gut, das sich immer weniger Leute leisten können, die Sitten verrauen, die Menschen verrohen und die Welt verkommt zusehens. Manche versuchen sich mit dem Kriegsteiben zu arrangieren und reisen den Heeren, Aasgeiern gleich, in einem Tross hinterher. Und obwohl es immer schwerer wird zu überleben, so sind die Werber, die mehr und mehr Söldner anheuern immer noch erfolgreich. Viele werden Soldat, weil es sonst nichts mehr gibt, womit sie ihr Leben bestreiten können und die Werber werden von Jahr zu Jahr auch zusehens anspruchsloser. Und so ist es ein Teufelskreis, der den Krieg nicht zum Erliegen kommen lässt.